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Wir suchen wieder Rezensent*innen!
Ausgabe 52: Dystopien. Der Weltuntergang in der Gegenwartsliteratur

Das Internet wurde vor Jahrzehnten abgeschaltet, Beziehungen werden von Algorithmen berechnet, Frauen dürfen nur noch 100 Wörter pro Tag sprechen, und das optimale Baby kann man von staatlich kontrollierten Leihmutterfarmen beziehen. Japan hat sich aus der Weltpolitik verabschiedet, England ist eingemauert und Österreich ein rechtsradikaler, diktatorisch regierter Polizeistaat. Natur existiert nur noch als Schwundstufe, Europa ist tot und Demokratie eine blasse Fußnote in den Geschichtsbüchern. Das ist das Ende. Zumindest in der Gegenwartsliteratur.

Dystopische Romane haben auf dem aktuellen Buchmarkt Konjunktur. Sie zeigen, wie prägend ein apokalyptisches Denken und das Gefühl, am Rande der großen Katastrophe zu stehen, geworden sind. Interessant sind sie aber aus anderen Gründen. Die zeitgenössischen Dystopien entwerfen Untergangsszenarien in einer nicht allzu fernen Zukunft, die zugleich sehr viel mit dem Hier und Jetzt zu tun hat. Das seismographische Gespür, das Literatur immer wieder unterstellt wird, kommt in Dystopien besonders konsequent zum Tragen. Die nicht allzu ferne Zukunft des literarischen Textes ist zugleich ein Spiegel der Gegenwart. Auf fiktionale Weise werden Tendenzen auserzählt, die schon heute akut sind: Sie reichen von nationalen Abschottungsbestrebungen über Populismus, Sexismus und Rassismus bis hin zu biopolitischer Totalkontrolle und den Verheerungen durch die Klimakatastrophe.

Dystopien sind Anti-Utopien. Damit sind sie aber nicht einfach das Gegenteil von Utopien, sondern vielmehr ihre kritische Ergänzung. Sie sind die Bewährungsprobe der utopischen Verheißungen von Globalisierung, Kapitalisierung und Technisierung und das schlechte Gewissen des Fortschrittsoptimismus, dessen Schlagschatten sie erhellen. Das gilt für Texte bekannter Autoren wie George Orwell, Aldous Huxley und David Foster Wallace ebenso wie für die feministischen Dystopien Margaret Atwoods oder die afrofuturistischen Romane von George Schuyler und Octavia Butler. In dieser kritischen Reflexion liegt die politische Brisanz dystopischer Texte.

Für die Juli-Ausgabe von kritisch-lesen.de suchen wir Menschen ohne und mit Sesshaftigkeitshintergrund, die Romane, aber auch andere Bücher zum Thema für Menschen jeden Alters besprechen möchten. Es sind sowohl Rezensionen aktueller und älterer Publikationen willkommen als auch Hinweise für interessante Publikationen, die in unserer Liste fehlen! Zudem suchen wir Rezensent*innen für aktuelle Neuerscheinungen in anderen Themengebieten. Wenn ihr Interesse oder weitere Ideen habt, dann schickt eure Vorschläge bitte mit einer kurzen Begründung eures Interesses bis 25.03.2019 an redaktion@kritisch-lesen.de oder an eines der Redaktionsmitglieder.

Wir entscheiden nach Eingang der Vorschläge, welche Rezensionen wir gerne in der Ausgabe hätten und melden uns dann bei euch. Der Einsendeschluss der fertigen Rezensionen ist der 17.05.2019.

Romane

Franzobel: Rechtswalzer. Wien: Paul Zsolnay Verlag 2019

John Lanchester: Die Mauer. Übers. v. Dorothee Merke. Stuttgart: Klett-Cotta 2019.

Louise Erdrich: Der Gott am Ende der Straße. Übers. v. Gesine Schröder. Berlin: Aufbau Verlag 2019.

Helmut Krausser: Geschehnisse während der Weltmeisterschaft. München: Piper 2019.

Christina Dalcher: Vox. New York: Berkley/Penguin 2018.

Naomi Alderman: Die Gabe. Übers. v. Sabine Thiele. München: Heyne 2018.

James Tiptree Jr.: Helligkeit fällt vom Himmel. Übers. v. Andrea Stumpf. Wien: Septime Verlag 2018.

Yoko Tawada. Send-bo-o-te. Übers. v. Peter Pörtner. Tübingen: konkursbuch 2018.

Annika Scheffel: Hier ist es schön. Berlin: Suhrkamp 2018.

Max Annas: Finsterwalde. Reinbek: Rowohlt 2018.

Tijan Silas: Die Fahne der Wünsche. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2018.

Christian Dittloff: Das weiße Schloss. Berlin: Berlin Verlag 2018.

Sigríður Hagalín Björnsdóttir: Blackout Island. Übers. v. Tina Flecken. Berlin: Suhrkamp 2018.

Josefine Rieks: Serverland. München: Hanser 2018.

Marc-Uwe Kling: Quality Land. Berlin: Ullstein 2017.

Andrej Skubic: Spiele ohne Grenzen. Dresden: Voland & Quist 2017.

Klaus Opitz: Landuntergang. Wien: Residenzverlag 2016.

Sachbücher

Slavoj Zizek: Der Mut der Hoffnungslosigkeit. Frankfurt/Main: S. Fischer 2018.

Günther Friesinger, Thomas Ballhausen, Judith Schoßböck (Hrsg.): End/Zeit: Das Apokalyptische zwischen Politik, Prognose und Technologie. Wien: edition mono/monochrom 2018.

Irene Leser, Jessica Schwarz (Hrsg.) utopisch dystopisch. Visionen einer ‚idealen‘ Gesellschaft, Wiesbaden: VS Verlag 2018.

Agnes Heller: Von der Utopie zur Dystopie. Hamburg; Wien: Edition Konturen 2016.

Eva Horn: Zukunft als Katastrophe. Frankfurt/M.: S. Fischer 2014.