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Der Kampf ist noch nicht vorbei

Buchautor_innen
Mumia Abu-Jamal
Buchtitel
We Want Freedom
Buchuntertitel
Ein Leben in der Black Panther Party
In dem bereits 2004 in den USA erschienenen und nun in deutscher Übersetzung zugänglichen Buch verarbeitet Mumia Abu-Jamal seine Erfahrungen in der Black Panther Party for Self Defense, der späteren Black Panther Party (BPP).

Was das bereits vor acht Jahren in den USA erschienene Buch auch für heutige Bewegungen wirklich lesenswert macht, ist die detaillierte Beschreibung der Entwicklung des Widerstands der People of Color gegen die bis heute existente rassistische Repression und Ausbeutung vor dem Hintergrund der Beteiligung der USA am Vietnamkrieg.

Die Abschaffung der Sklaverei nach 1865 führte nicht zu einer wirklichen Befreiung der afroamerikanischen Bevölkerung, sondern zu deren Ghettoisierung und Apartheid. Rassistisch geprägte staatliche Willkür gerade in der Wiege der Nation – in Philadelphia erklärten die USA 1787 zwar ihre Unabhängigkeit, nicht aber die Sklaverei für illegal – führten angesichts der Rechtlosigkeit der afroamerikanischen Bevölkerung im Oktober 1966 zur Gründung der BPP – zunächst als Organisation zur Selbstverteidigung.

Diese fand im Spannungsfeld ideologischer und politischer Auseinandersetzungen zwischen den militant agierenden Kräften um Malcolm X in der Organization of Afro-American Unity (OAAU), den seit den 1930er Jahren auf eine separatistische „Homeland“-Lösung hinarbeitenden, in der Nation of Islam Organisierten und den ausschließlich auf gewaltfreie Aktionen bedachten Kräften wie der Southern Christian Leadership Conference (SCLC) unter dem Vorsitz Martin Luther Kings, statt.

Die BPP organisierte unter der Führung ihrer Gründer Huey P. Newton und Bobby Seale ganz praktische Arbeit, die zu einer rasanten Stärkung führte: Neben der anfänglichen, bewaffnet durchgeführten Dokumentation rassistischer Polizeiübergriffe, der juristischen Unterstützung inhaftierter Mitglieder und des politischen Umfeldes, organisierte die BPP neben der Versorgung von Kindern armer Familien mit Essen auch eine Gesundheitsversorgung.

Obwohl die BPP-Führung – wie viele andere in der Organisation – sich ideologisch auf Ideen und Aspekte der Werke von Marx, Lenin und Mao stützten, war die politische Ausrichtung der BPP keine ausgesprochen marxistisch-leninistische. Das hinderte das FBI, das damals unter der jahrzehntelangen Regie von J. Edgar Hoover stand, nicht daran, vor allem das legendäre 10-Punkte-Programm der Panthers zum Anlass für deren Beobachtung zu nehmen.

In diesem Programm entwickelte die BPP Forderungen, die von der politischen, kulturellen und materiellen Selbstbestimmung über Forderung nach Arbeit, Wohnungen, einem Erziehungssystem, dass „den wahren Charakter dieser dekadenten amerikanischen Gesellschaft entlarvt“ (S. 135), bis hin zur Forderung, dass „alle schwarze Menschen sich zur Selbstverteidigung bewaffnen sollten“ (ebd.) reichten. Konzentriert wurde dies in der Forderung nach

„Land, Brot, Wohnungen, Bildung, Kleidung, Gerechtigkeit und Frieden. Und als politisches Hauptziel wollen wir eine von den Vereinten Nationen überwachte Volksabstimmung in allen Teilen der Kolonie, an der nur schwarze Untertanen der Kolonie teilnehmen dürfen, mit dem Ziel, den Willen der schwarzen Menschen im Hinblick auf ihr nationales Schicksal festzustellen.“

(S. 136)

Die BPP konnte mit ihrer Arbeit auch international Radikale und Revolutionäre inspirieren. Nach ihrem Vorbild gründeten sich zum Beispiel in England, auf den Bermudas und in Indien Organisationen nach ähnlichem Schema bis hin zur 1971 von Jüdinnen und Juden marokkanischer Herkunft gegründeten Black Panther Party Israels.

Auf der Grundlage des durch das FBI entwickelten Counter Intelligence Program (COINTELPRO), das auf die Störung von politischen Organisationen innerhalb der USA abzielte, wurden Spitzel, Attentäter und Provokateure gezielt in die BPP eingeschleust. Mittels gefälschten Briefen (Brownmail) wurden systematisch politische Widersprüche zwischen einzelnen Fraktionen der BPP ausgenutzt, um diese von innen heraus zu zerstören.

Zu diesen Widersprüchen gehörten die innerparteiliche Auseinandersetzung um die Rolle der Frau, Sexismus, der Konsum von Drogen ebenso wie die Frage des schwarzen Nationalismus und der Kampf um eine einheitliche politische Linie.
Zwischen 1967 und 1970 wurden rund 40 Mitglieder ermordet und über 85 schwer verletzt. Gleichzeitig wurde der Drogenhandel und -konsum in den Ghettos mit dem Ziel der Desorientierung und -organisierung vor allem jugendlicher Afroamerikaner_innen gefördert.

Die im Kapitel Neun behandelte Spaltung der BPP 1971 durch die Brownmail und die brutale Polizeirepression funktionierte laut Mumia Abu-Jamal „erstaunlich gut“. (S. 255) Im Ergebnis formierten sich diverse Parteien, die den Anspruch, den Geist der BPP weiterleben zu lassen, in ihrer Arbeit mehr oder weniger gelungen fortführen. Die BPP als Symbol des Widerstandes lebt in den USA auch kulturell in Form vielerlei Zitate im Hip Hop, Filmen, Büchern et cetera weiter.

Was bleibt im „Zeitalter der Vorherrschaft des Marktes und der Kommerzialisierung der Kultur?“ Abu-Jamal hebt „die Bedeutung des Dienstes für die Öffentlichkeit als wichtigstes Ziel einer Organisation“, der vor allem „uneigennützig, unbezahlt und als kollektive Pflicht“ organisiert wurde, hervor. Damit gelang es der Partei „Schwarze zu gewinnen und zu erlösen, die in unsoziale, kriminelle Aktivitäten verwickelt wurden.“ (S. 291)

Die zutiefst anti-imperialistische und antikoloniale Arbeit der BPP nennt Abu-Jamal ein „Abbild der Ambivalenz in den Herzen der Schwarzen, die aus der afroamerikanischen Erfahrung besteht.“ (S. 303)

Mumia Abu-Jamal, der von seinem vierzehnten bis zu seinem achtzehnten Lebensjahr in der BPP aktiv war, schließt in seinem Nachwort zu dem in der Todeszelle geschriebenen Buch:

Dieses

„tiefe Gefühl, diese ganz spezielle Empfindung in den Herzen von Millionen Schwarzen [ist] nach wie vor lebendig. Die Black Panther Party mag zwar Geschichte sein, aber die Kräfte, durch die sie entstanden ist, sind es nicht. Sie warten auf den richtigen Augenblick, um wieder aufzustehen“. (S. 304)

Das Buch sei nicht nur denen ans Herz gelegt, die einen Blick aus erster Hand in eine der bedeutendsten Massenbewegungen zur Befreiung von People of Color werfen wollen. Dieser fällt insbesondere weißen Westeuropäer_innen nicht immer leicht. Aus dem Scheitern der BPP können und müssen auch Lehren gezogen werden, wie revolutionäre Bewegungen nicht an staatlicher Repression und vor allem an inneren Widersprüchen scheitern.

Mumia Abu-Jamal 2012:
We Want Freedom. Ein Leben in der Black Panther Party.
Unrast Verlag, Münster.
ISBN: 978-3-89771-044-3.
328 Seiten. 18,00 Euro.
Zitathinweis: Thomas Trueten: Der Kampf ist noch nicht vorbei. Erschienen in: Körperregeln. 18/ 2012. URL: https://kritisch-lesen.de/c/1025. Abgerufen am: 18. 04. 2024 18:20.

Zur Rezension
Zum Buch
Mumia Abu-Jamal 2012:
We Want Freedom. Ein Leben in der Black Panther Party.
Unrast Verlag, Münster.
ISBN: 978-3-89771-044-3.
328 Seiten. 18,00 Euro.