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Mackern gegen rechts

Auf einem hellblau, leicht lilanem Untergrund befindet sich ein pinker Tuschfarbe-Farbfleck, welcher von der Coverecke oben rechts ausgeht und in Teilen über das Cover verläuft. Auf dem farbintensivsten Teil des Flecks oben rechts, steht in weißen Großbuchstaben "FANTIFA", wobei das F seitenverkehrt und in lilaner Schrift abgebildet ist. Darunter steht "Herausgeber_innenkollektiv" geschrieben.
Buchautor_innen
Herausgeber_innenkollektiv (Hg.)
Buchtitel
Fantifa
Buchuntertitel
Feministische Perspektiven antifaschistischer Politiken
Frauen* spielen in der antifaschistischen Geschichtsschreibung im deutschsprachigen Raum meist kaum eine Rolle – dies möchte das Herausgeber_innenkollektiv ändern und dokumentiert das Wirken von feministischen Frauen* in explizit antifaschistischen Zusammenhängen.

Sexismus und patriarchale Geschlechterverhältnisse existieren und müssen auch als solche benannt werden - dieser Aussage würden organisierte Antifaschist_innen heutzutage zumindest offen kaum widersprechen. Dass Aussagen im Sinne von „Ich bin Antifa. Was geht mich Sexismus an? Das ist überhaupt nicht mein Bereich“ (S. 161) in heutigen antifaschistischen Zusammenhängen kaum mehr denkbar sind, ist allerdings keineswegs selbstverständlich. Dies wird durch dieses Buch greifbar gemacht. In angenehmer, da unakademischer Sprache, bietet es die Möglichkeit, Kämpfe von Frauen* in der Antifa seit 1990 mit gesamtgesellschaftlichen, aber auch inneren Verhältnissen im deutschsprachigen Raum nachzuverfolgen. Dass die Fantifa, feministische Antifa oder auch Frauen*-Antifa genannt, trotz aller Widerstände feministische Kritik immer wieder in linke Zusammenhänge getragen hat, wird an vielen Beispielen deutlich. Ebenso sichtbar wird jedoch auch der Anspruch, nicht beim Selbstlob zu verbleiben, sondern die eigene Arbeit kritisch zu reflektieren, zum Beispiel in Bezug auf Rassismus.

„Mackertest“ & Faschismusanalysen

Das Herausgeber_innenkollektiv stellte sich der Herausforderung, das große Feld antifaschistischen Aktivismus und Theoriedebatten aus feministischer Perspektive zu beleuchten. Dies geschieht zum Beispiel durch das, in offensichtlich viel Arbeit zusammengetragene, historische Material wie Flug- und Infoblätter und Auszüge aus Zeitschriften. Diese durchziehen das Buch immer wieder mit Inhalten zum Beispiel zu politischer Bildungsarbeit, Berichten damals aktueller Ereignisse und Demonstrationen, kritischer Theorie und einem erheiternd-sarkastischen, aber nicht unproblematischen Fragebogen mit dem Titel „Mach' den Mackertest!“ (S. 107f.), bei welchem je nach erreichter Punktzahl etwas zwischen „Super Hard-Core-Null-Check-Macker“ und „Hör auf zu pfuschen!!!“ (S. 110) herauskommt. Klammert der_die Lesende teilweise amüsante Übertreibungen wie beispielsweise den eben erwähnten Mackertest jedoch aus, macht sich schnell Ernüchterung breit: Es ist frustrierend offensichtlich, wie seit Jahrzehnten von Frauen* auf die immer gleichen Probleme nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb der eigenen Strukturen hingewiesen wird.

Weiterer wichtiger Inhalt sind die vielen Interviews, die spannenden Einblick in den damaligen und auch heutigen Aktivismus und die Theoriebildung von antifaschistischen Frauen* bieten. Durch pointierte Fragen wird den Aktivist_innen selbst viel Raum zum Sprechen geben und so dem_der Lesenden ermöglicht, die verschiedenen Fantifa-Zusammenschlüsse miteinander in Beziehung zu setzen und, trotz unterschiedlicher Entstehungsgeschichten und Schwerpunktsetzungen der einzelnen Gruppierungen, gemeinsame Nenner und voneinander abweichende Nuancen festzustellen.

Die Stimme der Aktivist_innen

Zwei Aktivist_innen aus Süddeutschland, die in den neunziger Jahren eine Fantifa-Gruppe in ihrer Stadt gründeten, gaben als Grund für ihr Engagement an, dass sie es einfach „leid [waren], die immerwährenden Diskussionen zu Patriarchat und Sexismus zu führen oder diese Diskussionen einfordern zu müssen“ (S. 22). Aber auch als neu gegründete Fantifa zogen sie sich nicht aus antifaschistischen Strukturen zurück. Sie suchten immer wieder die Auseinandersetzung mit anderen Aktivist_innen zu feministischen Themen wie Pornografie oder sexueller Gewalt, bis hin zum Werfen blutiger Tampons in einem Kulturzentrum, um ihren Unmut zu äußern: „Wir haben uns mit der gesamten linken Szene angelegt“ (ebd.). Sexismus als ein ausschließliches Problem der Antifa wird jedoch von den Fantifas deutlich zurückgewiesen, zum Beispiel von Helen von der damaligen Frauen-Antifa Frankfurt/Main: „In der Antifa waren nicht mehr Macker als in anderen linksradikalen Strukturen auch. Männliche Dominanz war und ist ein allgemeines Problem der Szene“ (S. 44). Zwar störte Carlotta aus Bonn ebenfalls die Nichtbeachtung spezifischer „Frauenfragen und -themen im gemischten Antifa-Spektrum“ (S. 31), doch zur Gründung der feministischen Antifa Bonn 1988 kam es aus dramatischen Gründen: „Anlass der heftigen und teilweise (auch unter Frauen) kontroversen Auseinandersetzungen waren Sexismus- und Vergewaltigungsvorwürfe gegen Männer in linken und antifaschistischen Gruppen, in deren Verlauf es zu Ausschlüssen und Trennungen gekommen ist“ (S. 31).

Trotz teils heftiger Auseinandersetzungen innerhalb der eigenen Szene kooperierten jedoch fast alle Fantifas in irgendeiner Form mit Gruppen, in denen Männer* aktiv waren, was mitunter auf Kritik von feministischer Seite stieß: „Die autonomen FrauenLesben-Gruppen nahmen uns oft nicht ernst und sprachen uns teilweise unseren feministischen Anspruch ab, weil wir uns weiterhin in gemischten Zusammenhängen bewegten“ (S. 44).

Ebenfalls erörtern die verschiedenen Fantifa-Aktivist_innen, was ihren Aktivismus konkret von dem der Antifa unterschied. Sie benannten etwa eine andere Art der Vorbereitung von Aktionen, gendersensible Diskussionen um Militanz und Gewalt oder die Weigerung, ihre Arbeit auf eine reine Anti-Nazi-Politik zu beschränken. Auch wurde an die Aktivist_innen die Frage gestellt, was sie im Rückblick vielleicht anders hätten machen sollen. Clara und Rosa aus Süddeutschland nennen hier eine vehementere Ablehnung der Doppelbelastung auch in der Aktivist_innen-Szene. Auch ein stärkeres Eintreten gegen Bürgerlichkeitsvorwürfe wurde genannt, weil sie sich als Frauen* und damit stärker von Armut Betroffene nicht willentlich in die Erwerbslosigkeit und somit vielleicht in die Abhängigkeit von Männern* begeben wollten, um mehr Aktivismus betreiben zu können.

In den Interviews mit den ehemaligen Fantifas verzichtet das Herausgeber_innenkollektiv darauf, kritische Anmerkungen zur inhaltlichen Ausrichtung der Gruppierungen zu machen. Dies bietet den Vorteil einer eigenen Einordnung durch Leser_innen, bedeutet aber auch, dass neuere feministische Positionen, zum Beispiel Kritik der sogenannten sexpositiven Feminist_innen, im Kontext von Pornografie-Ablehnung und Vorgehen gegen Sexshops, unerwähnt bleiben.

Rechte Frauen* nicht verharmlosen

Als gemeinsamer Inhalt aller Fantifa-Gruppierungen um etwa 1990 bis heute lässt sich die Beschäftigung mit und Analyse von der Rolle der Frau* in vergangenen faschistischen Zusammenschlüssen wie auch in der rechten Bewegung erkennen. So sagt eine Fantifa-Aktivistin aus Bern: „Es war uns sicherlich ein Anliegen aufzuzeigen, dass auch rechte Frauen Täterinnen sind und nicht nur die ‚Freundinnen von‘“ (S. 50). In dem auf den historischen Teil folgenden Kapitel „Inhaltliche Entwicklungslinien" wird die Bedeutung dieser Auseinandersetzung nochmals durch ein Interview mit Anna vom Forschungsnetzwerk Frauen- und Rechtsextremismus verdeutlicht:

„In der allgemeinen Öffentlichkeit allerdings ist das Bild häufig noch das der Frau als Mitläuferin, wenn überhaupt. Oftmals auch in sexualisierter Weise: (...) Das wurde recht gut sichtbar, als im November 2011 die Taten und das Kernpersonal der so genannten Zwickauer Terrorzelle des NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) bekannt wurden. Das ‚Trio‘ bestand aus zwei Männern und einer Frau, wobei sich die Männer mutmaßlich selbst töteten, die Frau sich der Polizei stellte. Obwohl anfangs nichts klar war über die Art der Beteiligung der einzelnen Mitglieder an der Mordserie des NSU, bezeichneten diverse Medien die Frau sofort als ‚Nazi-Braut‘ und ‚Betthäschen‘ der Mörder-Nazis“ (S. 69f.).

Es folgen Interviews mit der Autonomen Männer-Antifa Hamburg die sich etwa 2006 auflöste und einem Pädagogen aus dem Antifa-Spektrum, der Workshops zu Antifa und Männlichkeiten anbietet. Diese Interviews beleuchten nicht nur in einem kurzsichtig-selbstbezogenem Sinne à la „das Patriarchat verletzt auch Männer*“ die Thematik von Sexismus und Männlichkeit*, sondern bieten auch Einblicke in selbstkritische männliche* Perspektiven auf Sexismus und Antifa.

Fantifas verschwinden, feministische Perspektiven zum Glück nicht

Der letzte Teil des Buches beschäftigt sich schließlich mit antifaschistischen Zusammenschlüssen seit 2000 und erörtert im Vorfeld generelle Entwicklungen und Auflösungen linker politischer Bündnisse. Obwohl feministische Themen in linken Kontexten angekommen zu sein scheinen, wäre es nicht korrekt zu behaupten, Antifa Gruppen seien nun per se feministisch, auch wenn sich dies nicht im Namen widerspiegeln würde. Die Themen zum Abschluss, der von neueren Entwicklungen handelt, bleiben trotz allem ähnlich wie zu Beginn des Buches: Gesamtgesellschaftlicher Antifeminismus, Rassismus und auch Sexismus in der linken Szene. So meint der aktuell immer noch bestehende „Antifaschistische Frauenblock Leipzig“:

„Uns ist aufgefallen, dass es in einigen Texten und Kreisen offensichtlich üblich geworden ist, sich über Antisexismus lustig zu machen oder ihn als regressiv darzustellen, dagegen wollen wir angehen. Die Argumentation in diesen Kreisen läuft, äußerst grob zusammengefasst, etwa so: In Deutschland sind Frauen gleichberechtigt und haben alle Freiheiten. Die Frauen, die heute wirklich leiden, sind diejenigen, die in den islamischen Communities oder Ländern leben. Aus dieser angeblichen Analyse wird der Schluss gezogen, dass wahre Feminist_innen sich jetzt um die unterdrückte muslimische Frau zu kümmern haben. Von dieser Art des Feminismus wird Antisexismus abgegrenzt, der als Ausdruck eines gestörten Verhältnisses zu Sexualität stigmatisiert wird“ (S. 119).

Die verschiedenen Interviews zeigen auf, dass feministischen Inhalten und Arbeit im antifaschistischen Kontext auch in linken Zusammenhängen bis heute mit Sexismus begegnet wird. Es gilt jedoch, so die Herausgeber_innen im Nachwort, Widersprüche auszuhalten und dabei Selbstreflexion, gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge und die Praxis nicht aus dem Blick zu verlieren:

„Uns bleibt nichts, als mit unseren Widersprüchen offensiv und produktiv umzugehen: Veränderungen – auch die eigene – entsteht immer auch in der Praxis, in ‚konkreten Kämpfen‘. Und diese Kämpfe – wollen wir gesellschaftlich relevant sein – müssen gesellschaftlich breit geführt werden, nicht ausschließlich szeneintern. (...) Eine häufig akademisch und moralisch fundierte Konzentration auf Selbsttransformation droht unserer Sicht nach eher Türen zu versperren als welche zu öffnen. Ausschließend werden Praxen, die die Auseinandersetzung mit dem Selbst überhöhen […]“ (S. 149).

Wichtiger historischer Beitrag trotz Leerstelle

Wie zum Abschluss anklingt, beleuchtet „Fantifa“ auch politische Entwicklungen der linken Szene jenseits explizit feministischer Kontexte. Somit hat dieses Buch nicht nur für feministisch interessierte Lesende Spannendes zu bieten, sondern kann alle ansprechen, die sich für einen kurzen Überblick der Geschichte der Antifa und außerparteilichen, radikal linken Gruppierungen seit den 1990er Jahren in Deutschland, Österreich und der Schweiz interessieren.

Die Fülle an Informationen und Texten, mal mehr aus aktivistischer, mal eher aus theoretischer Perspektive, machen dieses Buch zu einem wichtigen Beitrag zur historischen und aktuellen Sichtbarmachung von Frauen* in antifaschistischen Kontexten. Dabei verzichtet das Herausgeber_innenkollektiv auf eine eigene politische Positionierung und lässt die Aussagen der Aktivist_innen für sich stehen. Das Nachwort verbleiben sie schließlich mit kämpferischen Worten: „Wir glauben nicht, dass es die richtige Form feministischer antifaschistischer Politik gibt. Ob sich feste Gruppen oder sporadische Treffen bilden, wie sich vernetzt wird, ob ‚separat‘ oder ‚gemischt‘, ob queere oder radikalfeministische Theorien die Grundlage bilden, all das hat seine Berechtigung. Hauptsache, es passiert“ (S. 155).

Trotz Material für Geschichtsbegeisterte, viel Raum für die Aussagen der Aktivist_innen und Vermeidung eines Plädoyers für eine bestimmte politisch-theoretische Positionierung bleibt ein Problem, das dieses Buch wohl mit der Antifa-Szene teilt: Dort, wo Rassismus erwähnt wird, geschieht dies häufig aus weißer Positionierung, die in solchen Zusammenhängen mehrheitlich vertreten scheint. Denn eine Auseinandersetzung um race aus expliziter Perspektive von beispielsweise Women* of Color oder Frauen* mit Migrationsgeschichte nimmt wenig Raum ein. Dessen ist sich das Herausgeber_innenkollektiv bewusst: „Eine Leerstelle – weitgehend auch in diesem Buch – bleibt die Frage nach race. Die Antifaschistische Bewegung in Deutschland war und ist weiß dominiert“ (S. 153).

Herausgeber_innenkollektiv (Hg.) 2013:
Fantifa. Feministische Perspektiven antifaschistischer Politiken.
Edition Assemblage, Müster.
ISBN: 978-3-942885-30-0.
200 Seiten. 12,80 Euro.
Zitathinweis: Barbara Koslowski: Mackern gegen rechts. Erschienen in: Asylpolitik: Wider die Bewegungsfreiheit. 38/ 2016. URL: https://kritisch-lesen.de/c/1293. Abgerufen am: 29. 03. 2024 14:22.

Zum Buch
Herausgeber_innenkollektiv (Hg.) 2013:
Fantifa. Feministische Perspektiven antifaschistischer Politiken.
Edition Assemblage, Müster.
ISBN: 978-3-942885-30-0.
200 Seiten. 12,80 Euro.