Antimuslimischer Rassismus im Neoliberalismus
Seit der Aufdeckung der Morde des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds wird in Deutschland vermehrt über Rassismus diskutiert. Im Zentrum steht bei den Debatten allerdings der militante Rassismus von organisierten Neonazis. Doch Rassismus tritt vielfältiger in Erscheinung und ist keineswegs auf das Neonazi-Spektrum an den "Rändern" zu begrenzen. Vielmehr drückt sich Rassismus im Alltag, in den Medien, bei Behörden usw. auch in der "Mitte der Gesellschaft" aus.
Die Sarrazindebatte beispielsweise führte zu einer breiten gesellschaftlichen Verschiebung nach rechts, zu enttabuisiertem rassistischen Denken und verband in besonderer Weise Rassismus im Elite- und Nützlichkeitsdenken. Auch über zwei Jahre nach der Erscheinung von "Deutschland schafft sich ab" zeigt sich, dass die in der Debatte wesentlichen Konfliktlinien noch immer Bestand haben: Während die eng an Sarrazin Hängenden auf Biologisierungen und Naturalisierungen zurückgreifen, argumentiert eine Reihe von erklärten Sarrazingegner_innen mit dem neoliberalen Leistungspostulat.
Sebastian Friedrich wird zunächst am Beispiel der Sarrazindebatte zeigen, dass im öffentlichen Umgang mit Migration neoliberales Leistungsdenken eine wesentliche Rolle spielt, was effektiv zu einer "Ethnisierung der Unterschicht", womit Rassismus und Klassenverhältnisse ausgeblendet bleiben.
Sebastian Friedrich (Berlin/Duisburg-Essen) ist Redakteur bei kritisch-lesen.de, aktiv bei der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt Berlin (KOP) und Herausgeber und Autor des 2011 erschienenen Sammelbandes "Rassismus in der Leistungsgesellschaft" (edition assemblage, Münster).