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FAU: Die ersten 30 Jahre

Buchautor_innen
Roman Danyluk/ Helge Döhring (Hg.)
Buchtitel
FAU: Die ersten 30 Jahre
Der Band beleuchtet die Geschichte der mittlerweile seit 30 Jahren bestehenden anarcho-syndikalistischen Freien ArbeiterInnen Union (FAU).

Revolutionäre Arbeitskämpfe und Gewerkschaften sind für viele eine Angelegenheit der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts. Sich heute auf die Arbeiterklasse als revolutionäres Subjekt zu beziehen wird von vielen jüngeren Linken belächelt und mit Gruppen wie der MLPD oder anderen eher unsympathischen Organisationen in Verbindung gebracht. Viele Gruppen finden eine Beschäftigung mit dem Antifaschismus, ein Engagement in der Antiglobalisierungsbewegung oder theoretische Arbeit sinnvoller. Eine Ausnahme sowohl zu den antiquierten auf die "Klasse" bezogenen Positionen als auch zu den neueren Linken bildet die FAU.

Die FAU ist eine kleine basisdemokratische Gewerkschaft, die einige hundert Mitglieder in der BRD hat. Letztes Jahr jährte sich die Gründung der FAU zum 30. Mal, weshalb einige FAU-Aktiven ein Buch über eben diese letzten Jahre herausgebracht haben.

Wurzeln der heutigen FAU gehen zurück auf die 68er Bewegung. Einige Studenten entdeckten den Anarchosyndikalismus als Organisations- und Kampfform. Interessanterweise hatten diese frühen Aktivisten keinen Kontakt zu alten Veteranen der ehemaligen FAUD, die in den 1920ern zeitweise eine starke anarchosyndikalistische Gewerkschaft in Deutschland war, jedoch von den Nazis zerschlagen wurde. Stattdessen orientierten sich die frühen FAUistas an den exilspanischen Anarchosyndikalisten, die in der CNT organisiert waren. Dies hatte zwei Gründe: zum einen galten die spanischen Anarchosyndikalisten durch ihre Kampferfahrung im Bürgerkrieg gegen Franko als Vorbild, des Weiteren gab es in der BRD eine aktive CNT, die in Deutschland lebende und arbeitende Spanier organisierte.

Durch diese Kontakte und durch die Beteiligung an einzelnen Arbeitskämpfen und Solidaritätskampagnen konstituierte sich die frühe FAU am Ende der 1970er Jahre. Die FAU wollte von Anfang an eine Selbstorganisierung von Arbeitern vorantreiben und wollte keine nur an "Idealen" ausgerichtete anarchistische Organisation sein. Hier gab es in den frühen Jahren immer wieder Verwerfungen zwischen Anarchosyndikalisten und Menschen, die sich die FAU eher als strömungsübergreifende anarchistische Organisation vorstellten. Im Sinne der Selbstorganisierung stand die Kritik an den herkömmlichen Gewerkschaften wie dem DGB. Die FAU kritisierte schon früh an diesen, dass sie eine sozial partnerschaftliche Funktion erfülle und das Funktionärswesen die Gewerkschaftsmitglieder dazu animieren würde, das Engagement für die eigenen Interessen an andere zu delegieren anstatt selbst aktiv zu werden.

In den 1980ern durchlebte die FAU aufgrund interner Streitereien eine erste Krise, woraus sie inhaltlich konsolidiert hervorging, es gab nur vermehrte theoretische Diskussionen und Schulungen. Die Themen der FAU waren in den 1980ern eine kritische Intervention in die Friedensbewegung, der Kampf für die 35 Stunden-Woche, die Mitarbeit in unabhängigen Betriebsgruppen und eine Kritik an den Folgen der voranschreitenden Rationalisierungen im Betrieb. In den 1980ern war die FAU eine hauptsächlich proletarische Organisation. Zu dieser Zeit gab es die ersten Diskussionen, ob die FAU sich an Betriebsräten beteiligen soll. Während die eine Seite Betriebsräte als sozialpartnerschaftliches Instrument mit wenigen Möglichkeiten zur tatsächlichen Verbesserung der Verhältnisse im Betrieb kritisierten, sahen einige in Betriebsräten die Möglichkeiten, die Situation konkret zu verbessern. In der FAU setzte sich weitestgehend die erste Position durch, weshalb sie sich bis heute nur in begründeten Ausnahmen an Betriebsräten beteiligt. In den 1980ern zeigte sich die FAU durchaus handlungsfähig, sie organisierte sogar eigene Solidaritätskampagnen mit den britischen Minenarbeitern. Höhepunkt dieser Aktivitäten war ein Ferienlager für Kinder der kämpfenden Minenarbeiter, welches die FAU in der BRD organisierte.

Während dem Untergang der DDR waren auch Anarchosyndikalisten aktiv. Es gab viele politische und wirtschaftliche Streiks. In dieser Situation propagierte die FAU-DDR, welche 1990 gegründet wurde, die Übernahme der Produktionsmittel durch die Arbeiterklasse und die Errichtung einer freien Gesellschaft. Die Positionen der FAU-DDR wurden in einigen Betrieben ernsthaft diskutiert, wobei der Gang der Geschichte leider ein anderer sein sollte...

In dem letzten Jahrzehnt des ausgehenden Jahrhunderts wurde die Arbeit auf den verschiedenen Gebieten der FAU intensiviert, das heißt die betriebliche Organisation wurde voran getrieben - im Sinne einer praktischen Solidarität wurde das Kollektiv Café Libertad aufgebaut. Die eigene Theorieproduktion wurde durch einen zentralen Versand für anarchosyndikalistische Theorien gefördert.

Die Theoriearbeit der FAU sollte immer einen Bezug zur Praxis der Organisation haben, weshalb sie sich hauptsächlich mit Fragen der Aktualisierung anarchistischer und anarchosyndikalistischer Positionen befasst. Aber auch in innerlinke Debatten interveniert die FAU immer wieder. So auch in einem im Buch erwähnten Artikel, in dem die FAU sich mit Antinationalen auseinandersetzt. Leider ist dieser Text sehr schwach.

Seit dem Jahr 2000 war die Arbeit der FAU vor allem durch den voranschreitenden Klassenkampf von oben im Zuge der Hartz IV-Reformen geprägt. Im Widerstand gegen diese beteiligte sich die FAU. Dadurch wurde die FAU bekannter und ihre Mitgliederzahlen wuchsen weiter.

Das Buch berichtet vielseitig und in die Tiefe gehend von diesen verschiedenen Aspekten der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft FAU. Wer sich kaum mit den theoretischen Grundlagen des Anarchosyndikalismus auskennt oder sich nicht speziell für die FAU interessiert, wird wohl das Buch etwas sperrig und langatmig finden. Da das Buch ein Geschichtsbuch über die FAU ist, werden hier viele theoretischen Grundlagen kaum, oder nicht in der notwendigen Tiefe diskutiert.

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Die Rezension erschien zuerst im Dezember 2008 auf stattweb.de (Update: kritisch-lesen.de, ast, 12/2010)

Roman Danyluk/ Helge Döhring (Hg.) 2008:
FAU: Die ersten 30 Jahre.
Verlag Edition AV, Lich.
ISBN: 978-3-86841-004-4.
255 Seiten. 14,50 Euro.
Zitathinweis: Gerald Whittle: FAU: Die ersten 30 Jahre. Erschienen in: 140 Jahre Commune. 2/ 2011. URL: https://kritisch-lesen.de/c/821. Abgerufen am: 19. 04. 2024 08:09.

Zum Buch
Roman Danyluk/ Helge Döhring (Hg.) 2008:
FAU: Die ersten 30 Jahre.
Verlag Edition AV, Lich.
ISBN: 978-3-86841-004-4.
255 Seiten. 14,50 Euro.